Ein paar Gedanken zum Raum

Nach Foucault ist nach dem 19. Jahrhundert als Zeit, die sich mit Geschichte befasst hat, unsere heutige Zeit womöglich eine, die sich primär mit Raum befasst.
Ein „spatial turn“ (http://www.transcript-verlag.de/ts683/ts683_1.pdf) in den Geisteswissenschaften führt zu mehr Beschäftigung mit dem Phänomen Raum – wie wir ihn wahrnehmen, wie Raum konstruiert wird, welche politische und gesellschaftliche Bedeutung er hat.
Dies verwundert nicht. Globalisierung fordern uns geradezu heraus, das Konzept Raum zu überdenken.
Raum war zunächst etwas kaum überbrückbares. Raum liess sich in seinen beschreibbaren geografischen Eigenschaften (Berge, Ozeane, Wälder) aufteilen und beherrschen, liess sich begrenzen und beschützen. Raum stiftete Identität (Heimat), war Ausdruck kultureller Homogenität und Exklusivität.
Was hat unser Verhältnis zum Raum geändert?
Verkehrstechnologie: Raum ist durch rasche Luft-, See- und Landlinien zusammengeschrumpft. Die Folge: kulturelle Homogenität ist aufgebrochen, Kulturen vermischen und verändern sich, vor allem aber sind Kulturen überräumlich geworden. Religionen oder Einstellungen sind nicht etwas, das geografisch auf eine bestimmte Region beschränkt ist.
Kommunikationstechnologie: Raum ist kein Kommunikationshindernis mehr. Das Internet, Mobiltelefone, Medien durchdringen den Raum, erlauben Kenntnis von Raum, ohne ihn persönlich zu erfahren und explorieren (Google Street View, zum Beispiel) und binden Diasporas zusammen.
Waffentechnologie: Raum ist nicht mehr durch Geografie schützbar, sondern durch Interkontinentalrakenten ist der Gefahrenraum global geworden.
Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind mannigfaltig, denn politische Gewaltmonopole, nationalstaatliche Legitimitätsmythen, fiskalische Steuerungsmechanismen sind alle weiterhin räumlich organisiert und solche Strukturen verändern sich nicht über Nacht. Deswegen werden wir noch einige Zeit länger mit unfertigen Steuerungsversuchen enträumlichter Globalität durch Nationalstaaten leben müssen. Doch irgendwann kann es durchaus sein, dass sich territorial gebundene Identitäts- und Machtstrukturen auflösen werden oder nicht mehr werden halten können. Mal sehen.

Comments

Popular posts from this blog

Three Things "Star Wars: The Force Awakens" says about the 21st century

Vertrauen und Wissen