Freiheit, Persönlichkeit und Verantwortung in Zeiten digitaler Vernetzung

Zwei Nachrichten machen heute aufmerksam auf neue Konfliktfelder, für deren Bearbeitung wir im digitalen Zeitalter weiterhin kein Konzept haben.



Die Erkenntnis, dass Apple (ob mit Absicht oder nicht sei dahingestellt) Bewegungsprofile seiner Nutzer speichert zeigt wie einfach und leichtfertig von einzelnen ohne sein Zuwissen und Bewusstsein Informationen über sich selbst preisgegeben werden können.



Ein Beitrag in der FAZ diskutiert am Beispiel vom Auftritt Barack Obamas bei Facebook die Tücken, die entstehen, wenn man versucht im Internet eine politische Diskussion abzuhalten. Einer hohen Zahl pro-republikanischer Online-Kommentare stehen ausgewählte, zahmere Fragen in der eigentlichen Diskussion entgegen. Beide Fälle machen sich der Manipulation verdächtig.



Daten, Persönlichkeitsrecht und perzipierter Freiheitsverlust



Nach einem klassisch liberalen Verständnis, verletzt die Weitergabe von Daten über mich ohne meine Zustimmung meine Privatsphäre, mein Persönlichkeitsrecht, meine Person. Ich bin nach klassischer Auffassung Herr darüber, was meine Mitmenschen von mir wissen und wenn Informationen über mich gefordert werden, muss entweder ein gewichtiges öffentliches Interesse mein Persönlichkeitsrecht aufwiegen oder die Datenweitergabe Folge einer freien Entscheidung sein.



Viele Menschen haben heute keinen Überblick mehr darüber, welche Daten sie bei Amazon, Google, über ihr Smartphone oder auch mit der Kreditkarte an Dritte weitergeben und was mit diesen Daten geschieht. Hinzu kommt, dass Daten, die eigentlich öffentlich sind (z.B. Bilder einer Häuserfassade), als privat wahrgenommen werden, wenn der Zugang zu ihnen, z.B. durch Google Streetview, einem weiten Kreis an Nutzern zugänglich gemacht wird.



So verbreitet sich allmählich bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins, der Verletzung eigener Rechte und ein damit einhergehender Verlust an Freiheit.



Stimme, Repräsentanz und das Gefühl der Macht



Zugleich haben durch die digitale Revolution eine grosse Anzahl technikaffiner Menschen, sich einen Raum geschaffen, in dem sie unter kompletter Anonymität agieren können und unter diesem Schutz ihre Meinung frei jeglicher Restriktionen kundtun können. Es hätten sich niemals hunderte Menschen in einer Bibliothek gesammelt, um gemeinsam die Doktorarbeit eines Verteidigungsministers auf Plagiate zu untersuchen. Ebenso wenig würde vieles, was man in Chats oder in Kommentaren geschrieben wird, von Nutzern so öffentlich gesagt werden.



Es gibt nicht wenige, für die diese Entwicklung einen Fortschritt demokratischer Mitwirkung signalisiert, eine weitere Möglichkeit für Bürger ihre Stimme zu erheben und sich gegen Mächtige zu erwehren.



Neues Denken ist gefragt



In beiden Fällen fällt es uns schwer mit dem Phänomen umzugehen, weil wir sie anhand veralteter Denkmuster beurteilen. Preisgegeben Informationen über ein Individuum sind heute so häufig, dass sie sich nicht mehr kontrollieren und auch nur notdürftig regulieren lassen. Das Beispiel Google zeigt, dass Millionen von Menschen zudem auch Nutzniesser der Preisgabe ihrer Daten sind: Google speichert Nutzerinformation, anstatt Geld zu verlangen, Daten sind zu einer Währung geworden, ob man es will oder nicht.



Auch die öffentliche Debattenkultur des Internets kann zu Fehleinschätzungen führen. Eine User-Gemeinde ist nicht aussagekräftiger als eine Demonstration vor einem Rathaus. Aber wir nehmen ersteres als stärkeren Indikator für Unzufriedenheit auf als letzteres.



Wir brauchen daher neue Konzepte, die aufzeigen was Freiheit, Persönlichkeit und Verantwortung des einzelnen bedeuten und wie diese auch in einer zwischen virtuellen und realen Denkebenen vernetzten Welt gleichermassen gültig sein können. Wie diese aussehen, damit muss sich auch die Politik auseinandersetzen.

Comments

Popular posts from this blog

Three Things "Star Wars: The Force Awakens" says about the 21st century

Ein paar Gedanken zum Raum

Vertrauen und Wissen